Donnerstag, 4. Februar 2010

In Sach(s)en Inklusion

Ich war heute nachmittag auf dem ersten Arbeitsgruppentreffen 'Inklusion in Sachsen' und es war äusserst interessant und sehr Mut machend. Es bewegt sich was. Endlich!!!!

Organisiert werden diese Treffen von der Lebenshilfe Sachsen in Chemnitz, im Auftrag des sächsischen Sozialministeriums. Ziel der Treffen: ein Konzept zu erarbeiten, wie Inklusion in Sachsen verwirklicht werden kann. Das heisst: erst mal zu gucken, wo wir überhaupt stehen. Und dann: konkrete PLäne für die Zukunft zu erarbeiten.

Es war ein ganz wunderbares Netzwerktreffen, denn es saßen endlich die verschiedensten Leute zusammen, die alle etwas mit behinderten Menschen zu tun haben - aber selten etwas miteinander. Die Behindertenbeauftragte der Stadt Leipzig, die Leiterin der Lebenshilfe, ein Herr von einem Behindertenfahrdienst, eine Mitarbeiterin einer Behindertenwerkstatt, Lehrerinnen einer Förderschule, viele Eltern von Kindern mit Down-Syndrom, Vertreter des Instituts der Förderpädagogik der Uni, eine junge Dame vom Anti-Diskriminierungsbüro, Vertreter von integrativ arbeitenden Kindertagesstätten und viele mehr.

Allerdings war nur ein 'Betroffener' mit dabei - ein junger Mann, der in einer Werkstätte arbeitet. Aber diese Treffen sind explizit auch für Menschen gedacht, die selber eine Behinderung haben und sich für ihre Rechte einsetzen möchte. Das betonte die Moderatorin mehrmals und wünschte sich für das nächste Arbeitsgruppentreffen viel mehr selbst Betroffene. Der Raum sei barrierefrei erreichbar und auf Wunsch könnten auch Gebärdendolmetscher angefragt und die Sprache könneeinfach gehalten werden. Das fand ich beeindruckend. Aber das ist ja auch die Grundidee bei Inklusion - die Menschen sollen bei der Umsetzung selber mit einbezogen werden. Wir wollen keine Integration nach den Vorstellungen der Gesellschaft, sondern die Betroffenen sollen aktiv mitbestimmen!!!

Aber wer fehlte? Es war kein einziger Vertreter der Schulbehörde oder einer allgemeinen Schule da. Kein Lehrer, kein Erzieher, niemand. Das ist traurig, aber doch vor allem erstaunlich. Das Land Sachsen ist gehalten, in kürzester Zeit jedem behinderten Kind, das es wünscht, den Zugang zur allgemeinen Schule zu ermöglichen. Das heißt: die Schulgesetze müssen geändert werden, es braucht Binnendifferenzierung im Lehrplan und eine Einbeziehung von Heilpädagogen und Förderlehrern, die neu eingestellt werden müssten. Eine grundlegende Umstellung des Schulsystems ist gefragt, damit das Land Sachsen das verwirklichen kann. Und zu so einem wichtigen Treffen, ist kein Vertreter der allgemeinen Schulen dabei?

Ich begreife wahrscheinlich zu wenig von Politik, um das zu verstehen. Sachsens Sozialministerium initiiert diese Arbeitsgruppe wohl nur, um sagen zu können, dass sie etwas tun. Ende 2011 können sie dann irgendein Konzept vorweisen. Aber wirklich etwas ändern brauchen sie bis dahin nicht. Ist das so einfach? Kann man die Umsetzung geltenden Rechts auf diese Weise hinauszögern? Und auf die langsam mahlenden Mühlen der Bürokratie abschieben? Auch im sächsischen Koalitionsvertrag taucht nichts zu Inklusion auf.

Aber diese Arbeitsgruppe ist hoffentlich geeignet, in dieser Hinsicht etwas in die Wege zu leiten. Druck beim sächsischen Kultusministerium zu machen. Denn dass Inklusion auch in Deutschland möglich ist, das zeigen ja genug andere Bundesländer. Z.B. in Schleswig-Holstein sind die Förderschulen mittlerweile fast abgeschafft. Und die Änderung der Schulgesetze weit fortgeschritten. Wann wird es in Sachsen so weit sein? Hoffentlich bald!

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Liebe Amelie,

lass Dich nicht täuschen - auch Schleswig-Holstein ist weit weg von der Inklusion.
Ich hab zwei Kinder auf ner ganz normalen städtischen Grundschule - da wurde zwar letztes Jahr mit großem Tamtam ein Rolliaufzug gebaut, aber von offensichtlich gehandicapten Kindern keine Spur... Klar, Integrationsklassen mit Zusatzlehrer für Kinder mit ADS oder Lernschwierigkeiten gibt es, aber mehr auch nicht.

Ich glaube, der Weg ist noch weit - gerade wenn man sich anguckt, wie um den Erhalt des dreigliedrigen Schulsystems gekämpft wird... hier geht der Weg zurück, nachdem ja halbherzigst Haupt- und Realschule abgeschafft wurden...

Trotzdem: nicht aufgeben!
und Dnake für Deinen tollen Blog!

Herzliche Grüße von der Nordsee
Kerstin