Dienstag, 28. August 2012

neu-erfinde-mich...


Jede Geburt, jedes neue Kind in meinem Leben, bedeutet ein stück weit, mich neu zu erfinden. Einen neuen Weg einschlagen. Wieder kommt alles in Bewegung und ich muss oder will (?) mich neu ausrichten.


Dieses neue kleine Leben kennen lernen. Ihm einen Platz geben - in meinem Leben - in unserem Leben.


Die größte Veränderung bisher war die nach Lolas Geburt. Mehr als vier Jahre ist das nun schon her. Danach war zunächst ALLES anders. Wirklich! Ich hätte es damals niemals zugegeben, aber es war und ist so.



Ihre Besonderheit in so vieler Hinsicht ist zum Zentrum meines Lebens geworden. Zunächst sie so annehmen zu lernen wie sie ist. Dann eine Zeitlang, sie so gut es eben geht zu fördern. Um irgendwann zu merken, dass sie immer besonders ist und es auch bleiben wird, egal wie viel ich sie fördere und an ihr ziehe und zerre. Dass "Lola eben Lola ist".


Und ich lernte, sie so anzunehmen und zu lieben wie sie ist. Genau so. Ihrem eigenen Weg zu vertrauen. Und förderte und therapierte immer weniger. Ließ sie einfach über Bäume klettern, mit den anderen Kindern spielen, Blöcke weise Papier voll malen...


Selbst wenn sie nicht so gut sprechen lernen sollte, nicht so flüssig sich bewegen wie andere Kinder, nicht so schnelle Fortschritte machte. Selbst wenn sie mal keinen Schulabschluss machen würde, keinen Beruf auf dem ersten Arbeitsmarkt finden sollte, wichtig ist doch, dass sie glücklich wird. Selbstbewusst und selbstbestimmt leben kann. Eine Liebe finden wird für ihr Leben. Und das wird sie, so unglaublich charmant und witzig wie sie ist... Ihren Leidenschaften nachgehen kann. Ach, was weiß ich.


Es war und ist ein langer Weg, darin so gelassen zu sein.... Sicher hat mir die Arbeit bei der Lebenshilfe Leipzig dabei geholfen. Zwei Jahre habe ich dort die Öffentlichkeitsarbeit gemacht für den Verein. Veranstaltungen mit und für Menschen mit geistiger Behinderung organisiert und für ihre Eltern. Habe erwachsene Menschen mit Down-Syndrom kennen gelernt. Wie sie wohnen, wie sie arbeiten, worüber sie nachdenken, was sie bewegt, was sie sich wünschen...


Lolas Leben als Erwachsene kann ich mir nun klarer vorstellen, es hat seinen Schrecken verloren. Obwohl vieles mich zuerst erschreckt hat, oder zumindest gewundert, was ich kennen gelernt habe. Aber ich habe mich daran gewöhnt. Und darin das Schöne, Besondere kennen gelernt. Vieles wird sich hoffentlich auch noch ändern in den nächsten Jahren. Hoffentlich werden die Assistenzleistungen flexibler - und mehr Arbeitsplätze in "integrativen Unternehmen" geschaffen. Hoffentlich gehören Menschen mit Behinderungen bald viel selbstverständlicher zur Gesellschaft, in die Schule, zum Stadtbild. Werden ernst genommen und um ihre Meinung gefragt... und so viel mehr.



Und mit all diesen Gedanken und der zunehmenden Gelassenheit wandte sich mein Leben wieder anderen "lebenswichtigen" Fragen zu. Der nach einem Beruf und nach MEINEM Glück, der Liebe und allem was dazu gehört. Lola und ihr besonderer Weg gerieten in den Hintergrund, dieser Blog schlief fast ein. Mein Leben wurde wieder Privatsache.


Und seit ein paar Monaten? Schreibe ich wieder, zeige Bilder von unserem, meinem Leben. Neu vieles. Wunderschön. Aber ganz viel Leben auch ohne sie. Warum eigentlich schreibe ich plötzlich wieder mehr? Vielleicht ganz einfach, weil ich durch die Elternzeit wieder Zeit dafür habe. Ja, vielleicht ist es so banal. Und weil ich Lust habe, von unserem Leben zu erzählen.


So dass der Blog mehr zu meinem Blog geworden ist, als zu Lolas. Und doch hat alles irgendwie mit ihr zu tun.... Denn sie, sie hat mich so vieles gelehrt. Dass es das wichtigste ist, sich und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen. Seine eigene Wahrheit zu leben. Im Moment zu sein. Dankbar zu sein. Mich selbst so zu lieben wie ich bin. Und so vieles mehr, was aufzuschreiben ... viel zu viel wäre. Aber sich lohnen würde.


Ich bin ihr dankbar, so dankbar. Und freue mich unsäglich darauf, sie übermorgen endlich wieder sehen zu können. Nach einem Monat Spanien... den sie zusammen mit Greta und dem Papa Ricardo dort bei den Großeltern verbracht haben. Ein langer langer Monat.

Drum werdet ihr hier sicher bald lustige neue Geschichten von den beiden lesen...


Und sicher auch davon, wie ich mich nun mit allen dreien zusammen neu erfinde, um zum Ausgangsthema dieses Posts zurückzukehren. Aber aufgrund akuter Stilldemenz ist es mir nicht möglich, bei einem Thema allein zu bleiben. Das hab ich gleich nach Beginn des Schreibens schon wieder vergessen, so einfach ist das.

Und Schluss!

3 Kommentare:

Martina von Jolinas Welt hat gesagt…

Wunderschön geschrieben und Du sprichst mir aus dem Herzen.
Martina

Anonym hat gesagt…

Habe ich heute morgen schon gelesen und jetzt noch mal...
Wahre Worte, schön geschrieben, bewegend, vertraut.

Sind wir nicht immer auf dem Weg, müssen uns neu finden und erfinden, vor allem wenn so wichtige Ereignisse in unser Leben treten ? Oft sehr anstrengend, manchmal auch leichter, und doch so lohnend.
Ich wünsch dir und mir und alle die es brauchen viel Kraft für diesen Prozess.

P.S und ich freue mich deinen Blog gefunden zu haben, ich lese gerne hier, ich mag deine Bilder und zu sehen wie normal Familie mit behindertem Kind funktioniert macht mir Mut für die Zukunft.Also bitte lass uns weiter an Eurem Leben teilhaben.

Liebe Grüße Bianca

Alexandra hat gesagt…

Wow, das liest sich wie eigentlich immer hier einfach nur gut. Ich bewundere deinen weiten grossen schritt den du schon gegangen bist und geschafft hast. Merke selber das ich noch nicht so weit bin. Einfach nur annehmen und lieben wie Aniko ist. Oft stosse ich an meine Grezen und bin traurig,wütend und auch hilflos.

Danke für deinen tollen Blog !!!

liebe Grüsse
alex