Sonntag, 10. Dezember 2017

Lola "himbab"

Lola wird sich mehr und mehr bewusst, dass sie 'behindert' ist. "Himbab", nennt sie es. Was sie oft traurig macht. Vor allem wenn andere sie so bezeichnen...

Aber: sich dessen bewusst zu sein, ist auch ein wichtiger Schritt zu echtem Selbstbewusstsein. Das erst aus dem Bewusstsein der eigenen Begrenzung  entsteht. Nur wer seine Grenzen genau kennt, kann sie annehmen und - im Angesicht dessen - die eigenen Fähigkeiten auch wirklich wertschätzen. Und weiter entwickeln.

Wer seine Begrenzung ignoriert, bleibt darin gefangen.

Beim heutigen Schneespaziergang erzählte sie mir, ein wenig betrübt: "Mama. Ich bin behindert." (Das erste Mal, dass sie das Wort richtig aussprach. Einfach so)

"Und, was bedeutet das", fragte ich sie interessiert.

"Ich nicht Hefe verträgt. (Ich vertrage keine Hefe). Auch Ei nicht," erklärte sie. "Und ich nicht kann schnell rennen. Bein tut weh."

"Und was noch?", fragte ich.

"Brille auf. Nicht kann gut sehen."

Ansonsten war nicht viel aus ihr rauszuholen.

"Und was kannst du gut?"

"Ich kann gut gehen", erklärte sie nach eienigem Überlegen und marschierte straff an meiner Hand durch den Schneesturm. Noch vor drei Jahren hätte sie das zu einem Zusammenbruch gebracht. Denn Schnee und Kälte im Gesicht mochte sie da gar nicht. Jetzt macht es ihr kaum mehr etwas aus.

"Und was kannst du noch gut?", fragte ich.

Lola zuckte mit den Schultern. 

Schließlich sagte sie, nach kleiner Ideenhilfe: "Ich kann gut trösten. Sadia weint, dann ich trösten", erklärte sie. Denn für ihre beste Freundin Sadia ist sie wirklich die beste Trösterin.

Und zusammen überlegten wir noch ein bisschen weiter. Bis Lola dann erklärte: "Ich kann gut kochen. Gut backen. Und gut malen."

Alles Dinge, die sie mit großer Begeisterung und auch immer größerer Selbständigkeit macht. 

Wie weh es mir doch tut, zu sehen und anzuerkennen, wie schwer ihr viele Dinge fallen.

Doch wie froh es mich auch macht zu sehen, wie sie sich dessen bewust wird. Und - trotzt ihrer Beschränkungen - ein gutes Bewusstsein auch ihrer Stärken gewinnt.

Was für eine Leistung, angesichts so vieler Beschränkungen in dieser Welt leben zu lernen.

Und wie gesegnet sie doch ist mit ihrer Fähigkeit, glücklich im Moment zu leben. Ohne nach hinten und vorne zu schauen. Ein wahres Geschenk.

Keine Kommentare: